Ein spannendes geistiges Abenteuer
Generell wird an die Schule und besonders an das Gymnasium die Forderung gestellt, die Schülerinnen und Schüler darauf vorzubereiten, ihr Leben in einer immer komplexer werdenden Welt selbstbestimmt zu gestalten. Deshalb soll der Einzelne einen möglichst breiten Horizont besitzen, sonst gleicht er „mit seiner spezialisierten Fachkenntnis mehr einem wohlabgerichteten Hund als einem harmonischen Geschöpf “.
(Einstein)
Was kann Griechisch hier leisten?
Griechisch bietet Modelle für entscheidende Fragen des menschlichen Lebens, an denen junge Menschen in kritischer Auseinandersetzung eigene Positionen finden können – Modelle, die jugendgemäß sind und obendrein auf einer Ebene und von einer Qualität, die sich sonst selten findet. Dabei geht es nicht darum, unbesehen die Lösungsversuche der Griechen für verschiedene Probleme zu übernehmen, es geht überhaupt nicht so sehr um Antworten, sondern um die Fragen, die von den Griechen gestellt wurden und die heute noch unsere Fragen sind, z. B.: Was macht einen Menschen glücklich? Wie funktioniert Demokratie? Worin bestehen die Möglichkeiten und Grenzen einer rein rationalen Wissenschaft?
Was fasziniert an Griechisch?
Das Einzigartige am Griechischunterricht ist, dass jungen Leuten hier ein Vorgang anhand von Literatur gezeigt wird, der parallel zu ihrer eigenen Entwicklung abläuft: Wie der einzelne Jugendliche am Beginn der Pubertät, so löste sich mit den Griechen um 800 v. Chr. ein ganzes Volk aus der Welt seiner Märchen, d. h. aus der ganzheitlichen, naiven Weltsicht des Kindes, und machte sich auf den Weg zu sich selbst. überlieferte Bindungen und Normen wie Familie, Religion, Gesetze wurden brüchig und zweifelhaft, so dass man das Wertesystem neu justieren musste.
Genauso weigert sich der Jugendliche im Alter von 13 oder 14 Jahren immer öfter, Forderungen nachzukommen, die ihm aufgrund eigener überlegung als unsinnig erscheinen. Es kommt zum Konflikt mit der Tradition, mit Eltern und anderen Erwachsenen, bis schließlich – und das ist das Ziel unseres Unterrichts und doch wohl von Schule überhaupt – individuelle sinnvolle Positionen gefunden werden.
Nebenbei bekommt man im Griechischunterricht, der viele Literaturgattungen in ihrem Entstehen vorführt, eine Einführung in die Grundlagen von Dichtung, Mythologie, Kunst, Philosophie, Politologie und vielem mehr, was Europa in seiner kulturellen Identität bis heute geprägt hat.
Fazit
Zwei Gesichtspunkte treten also hervor, die eine Beschäftigung mit Griechisch als sinnvoll erscheinen lassen:
- Zum einen bewirkt das Griechische eine Ausweitung der Begriffs- und Vorstellungswelt der Schüler durch Literatur (Breitendimension).
- Zum anderen wird der Blick der Schüler unter die Oberfläche der Phänomene gerichtet, Neugierde und Kritikfähigkeit werden gefördert, die Frage nach dem Wesen tritt in den Mittelpunkt (Tiefendimension).
Der Griechischunterricht
8./9. Klasse: Erwerb der sprachlichen Grundlagen und Einblicke in die Welt der Griechen
10. Klasse: Einstieg in die Originallektüre und vertiefte Auseinandersetzung mit Werken von Platon, Xenophon, Herodot und Homer
Bei der Wahl von Griechisch in der Oberstufe (zur Abdeckung der Pflichtfremdsprache oder zur individuellen Profilbildung):
11./12. Klasse: Lektüre von Originaltexten unter dem Gesamtthema „Die Selbstfindung des Individuums”
Gedankensplitter
Erziehung basiert auf Veranlagung und Training. Man muss von Jugend an lernen.
Protagoras
Ihr Griechen bleibt doch immer Kinder, zum alten Mann bringt es kein Grieche. Jung in eurer Einstellung seid ihr alle.
Platon
Vieles ist unheimlich, doch nichts ist unheimlicher als der Mensch.
Sophokles
Alle Menschen streben von Natur aus nach Erkenntnis.
Aristoteles
Wer in seiner Jugend die Musen vernachlässigt, der hat die vergangene Zeit verloren und ist für die zukünftige Zeit tot.
Euripides
Wasser ist der Urstoff allen Lebens.
Thales
Die Seele des Menschen wirst du wohl nicht ergründen. So tief ist sie.
Heraklit
Aller Dinge Maß:
der Mensch.
Protagoras
Die Wirkung der Rede auf die seelische Verfassung ist mit der Wirkung von Drogen auf die körperliche Konstitution vergleichbar. Denn wie jede Droge bestimmte körperliche Reaktionen hervorruft …, so machen manche Worte die Zuhörer betrübt, andere erfreuen sie, andere versetzen sie in Furcht, andere machen ihnen Mut, wieder andere vergiften und bezaubern die Seele mittels einer irgendwie übel gearteten Überredungskunst.
Gorgias
Niemand dürfte für den Menschen einen besseren Helfer zum Glück finden als die Liebe.
Platon
Der Mensch ist von Natur aus so, dass er das, was ihm weicht, verachtet, und das, was ihm Widerstand leistet, bewundert.
Thukydides
Ein Leben ohne Selbstprüfung ist nicht lebenswert für einen Menschen.
Sokrates