Molokhia und Kaiserschmarrn
- Warum ist es sehr wahrscheinlich, dass die Menschen im Alten Ägypten Ramses II. in der Tat für einen unsterblichen Gott hielten?
- Welche Gründe gaben die Arbeiter in den Gräbern im Tal der Könige an, wenn sie nicht zur Arbeit erschienen?
- Weswegen kommen jedes Jahr fast zwei Millionen ägyptischer Babys zur Welt?
- Was versteht man unter einer Urfi-Ehe (Hochzeit Light)?
- Wie bestellt man Tee und Kaffee auf Arabisch?
- Was muss man tun, um beim Handeln auf dem Markt den besten Preis für eine Galabeya, das traditionelle Gewand ägyptischer Männer, zu erzielen?
Antworten auf all diese Fragen konnten zahlreiche Schülerinnen und Schüler der Q12 auch dieses Jahr vor Ort in Ägypten finden. Das Fahrtenprogramm der Oberstufe des KGP weckt vielseitige Interessen und fördert das kulturelle Bewusstsein. Die Förderung kritischen Denkens und Toleranz als wesentliche Voraussetzung politischer Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe, die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen sowie die Unterstützung von sozial-karitativen Maßnahmen unserer Schule in Oberägypten sind zentrale Merkmale der alljährlichen Studienfahrt nach Luxor.
Besichtigungen
Steil führen die Stufen tief hinunter in das Grab des Bürgermeisters des Westufers, Sennefer. Die sehr niedrige Decke im Treppenbereich, an der man sich als normalgroßer Tourist ständig den Kopf anstößt, und die feuchte Hitze im Inneren machen die Besichtigung zu einer sehr anstrengenden und schweißtreibenden Angelegenheit. Doch die unglaubliche Farbenpracht der Malereien, die Sennefer und seine Frau in unterschiedlichen Szenen des Totenkultes zeigen, macht die Anstrengung mehr als wett. Es ist kaum zu glauben, dass die Malereien vor ungefähr dreieinhalbtausend Jahren entstanden, sehen sie doch so frisch aus, als ob der Künstler den Pinsel gerade eben erst aus der Hand gelegt hätte.
Da die altägyptische Hochkultur auf beiden Ufern des Nils unzählige Gräber und Tempel hinterlassen hat, weswegen ganz Luxor zum UNESCO Weltkulturerbe zählt, stehen Besichtigungen wie diese jeden Tag auf unserem umfangreichen Programm. Dabei ist es zweifelsohne eine andere Erfahrung, die antiken Stätten in ihrer Monumentalität und ihrem unglaublichen Erhaltungszustand unmittelbar vor Ort zu erleben als nur durch Abbildungen in Büchern oder Fernsehaufnahmen, auch wenn dies wegen der hohen Temperaturen jeden Morgen ein sehr zeitiges Aufstehen erfordert.
Partnerschaft mit dem Rababah Community Center
So faszinierend das archäologische Erbe Altägyptens sein mag, nur mit den Besichtigungen ließe sich der große Aufwand einer Schulfahrt kaum rechtfertigen. Besonders die lange und anstrengende Anreise, zumal in ihrer Klimabilanz, hält der zurecht kritischen Prüfung insofern stand, als so oft wie möglich hinter die touristische Fassade geblickt wird und die interkulturelle Begegnung mit dem Land und den dort lebenden Menschen fester Bestandteil und zentrales Anliegen der Fahrt ist. Ermöglicht wird dies durch die langjährige, enge Partnerschaft mit dem Rababah Community Center in el-Tod in der Nähe von Luxor. Mittlerweile haben wir eine Vielzahl an gemeinsamen Projekten umgesetzt, so z. B. die Anschaffung eines Kleinbusses, der für die soziale und karitative Arbeit des Centers unverzichtbar geworden ist.
Lange existierte der erste Stock des Centers nur im Rohbau. Mit den Einnahmen des Spendenlaufes, den das Karls während des Lockdowns im Winter 2021 durchführte, sowie des digitalen Adventsbasars und des Sommerfestes im letzten Jahr konnten wir den Innenausbau der Räume finanzieren. Dort sollen künftig Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen entstehen. Während der Studienfahrt besuchen unsere Schülerinnen und Schüler jedes Jahr die Örtlichkeiten in el-Tod, sie erhalten unmittelbaren Einblick in die Arbeit vor Ort und sehen selbst, wofür die Spenden verwendet werden, für die sie sich seit der 5. Klasse eingesetzt haben. Zudem begegnen sie, anders als bei einer Spende an anonyme Organisationen, persönlich den Menschen, die mithilfe der Gelder unterstützt werden. Immer wieder kommt es auch zu Aktionen, wie das gemeinsame Pflanzen von Bäumen oder, wie bei der letzten Studienfahrt, das Streichen zweier der künftigen Therapieräume des Centers gemeinsam mit Freiwilligen des Roten Halbmondes. Der großen Hitze hielten unsere Jugendlichen tapfer stand, wenngleich sie im Unterschied zu den jungen Ägypterinnen und Ägyptern auf das Singen von fröhlichen Liedern doch verzichteten.
Da das Karls auch einen Zuschuss für die Anschaffung erster Therapiegeräte geleistet hat, hoffen wir, dass der Betrieb im ersten Stock des Centers bald aufgenommen werden kann.
Gemeinsame Projekte
Als im ersten Stock beim Streichen geschwitzt wurde, widmeten sich die restlichen Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt in mehrere Gruppen, im Erdgeschoss ganz unterschiedlichen Projekten. Während ein Teil mit einer Reihe kleiner ägyptischer Jungen ein Sportprogramm, bestehend aus Fußballspielen und Trampolinspringen, absolvierte, und sich dabei auch von einem umgeknickten Finger nicht entmutigen ließ, arbeitete ein weiterer mit ägyptischen Mädchen. Dabei wurde gemalt und gesungen. Daneben gab es aber auch einen sprachlichen Lernzugewinn für beiden Seiten: Die Ägypterinnen lernten deutsche und englische Wörter und unsere Schülerinnen bekamen ein wenig Arabisch beigebracht und konnten am Ende auch die ersten arabischen Buchstaben schreiben. Ein Höhepunkt dieses Nachmittags war aber sicherlich das Kochprojekt, dessen Ziel es war, typisch ägyptische bzw. deutsche Gerichte zu kochen. Eine Gruppe ägyptischer Frauen und Mädchen zeigte unseren Schülerinnen, wie man Mahshi (gefüllte Weinblätter) und Molokhia (eine Art grüne Gemüsesoße und vielleicht das „ägyptischste“ Gericht überhaupt, an dem sich die Geister allerdings erheblich scheiden) zubereitet. Gemeinsam wurde in der bescheiden ausgestatteten Küche gearbeitet. Da zwei Ägypterinnen den Niqab trugen und diesen zum Kosten und Essen auch lüften wollten, bat man uns, dass nur deutsche Mädchen und keine Jungen an dem Kochprojekt teilnehmen sollten. Abgesehen davon, dass dies wohl für die meisten von uns den allerersten Kontakt mit vollverschleierten Frauen darstellte, und dass es gar nicht so leicht war, mit dieser ungewohnten Erfahrung umzugehen, war es überraschend, dass die Damen im Niqab nicht verschüchtert oder vollkommen distanziert auftraten, sondern, ganz im Gegenteil, sehr kommunikativ und lustig und in weiten Bereichen ausgesprochen dominant agierten. Obwohl wir uns für ein sehr einfaches Rezept – Kaiserschmarrn – entschieden hatten, erwies sich die Zubereitung aufgrund der Tatsache, dass es keine elektrischen Küchengeräte gab und sich z.B. das Steifschlagen des Eischnees Ewigkeiten hinzog, als eher schwierig und langwierig. Deswegen mussten wir aus Zeitgründen auch auf unser zweites Gericht, Kartoffelpuffer, verzichten. Eine komplett neue Erfahrung für die Ägypterinnen war das Trennen von Eigelb und Eiweiß, was mit viel Enthusiasmus aber schnell perfektioniert wurde. Der Kaiserschmarrn war zwar durchaus ein kulinarischer Erfolg, konnte aber mit der Routine der ägyptischen Köchinnen nicht mithalten, weswegen diese auch den Preis für das beste Kochteam gewannen.
Sport als Brückenbauer
Weil sprachliche Barrieren und persönliche Hemmschwellen am besten durch gemeinsame sportliche Aktivitäten zu überwinden sind, hat sich die Durchführung eines gemeinsamen Fußballspiels mittlerweile schon zu einer festen Tradition entwickelt. Da die ägyptischen Mannschaften aber immer nur aus Jungen bestehen und unsere ebenso wie die ägyptischen Mädchen so zwangsläufig nur zusehen können, wurde dieses Jahr auch wieder Volleyball gegen ein Team Ägypterinnen gespielt. Alle Beteiligten hatten viel Spaß und nach Spielende wurden unzählige gemeinsame Fotos gemacht. Dass bei beiden Spielen die Teams des Karls gewinnen konnten, hatte allerdings eher mit ägyptischer Gastfreundschaft zu tun …
PR durch das KGP
Abgesehen von der finanziellen Hilfe profitiert das Rababah Community Center jedoch noch auf eine zusätzliche Art und Weise vom KGP. Alljährlich stößt unser Besuch auf großes Interesse der ägyptischen Medien. Das ist zum einen ausgesprochen werbewirksam für das Center und seine unterschiedlichen Aktivitäten. Zum anderen fühlen sich auch lokale Würdenträger durch die Medienpräsenz geschmeichelt, die ihnen bei Veranstaltungen zuteilwird, an denen Schülerinnen und Schüler des KGP teilnehmen, bzw. durch den Umstand, dass sie damit über „internationale Kontakte“ verfügen. Wiederholt lösten sich deswegen auch bürokratische Hemmnisse, die in Ägypten beträchtlich sein können, plötzlich in Luft auf oder öffnete die Unterstützung eines Offiziellen Türen, die bisher verschlossen waren.
Wie bereits in den Vorjahren besuchte auch dieses Jahr wieder eine Gruppe unserer Schülerinnen und Schüler eine Krebsklinik für Kinder in Luxor und verteilte aus Deutschland mitgebrachtes Spielzeug an kleine Patientinnen und Patienten. Neben dieser persönlichen Geste war unser Besuch auch insofern sehr effizient, als sich eine Pharmafirma zu zusätzlichem Sponsoring für die Klinik bereit erklärte.
Neben der guten Tat für die kranken Kinder stellt der Besuch im Krankenhaus auch für unsere Schülerinnen und Schüler eine besondere Bereicherung dar, nicht zuletzt auch im Abbau vorhandener Annahmen zum Entwicklungsstand eines außereuropäischen Landes durch unmittelbare Anschauung und Begegnung.
Interkulturelles Lernen
Auch wenn das persönliche Zusammentreffen bei den Aktionen und beim Sport im Rahmen der Kooperation mit dem Rababah Community Center jeweils nur kurz ausfällt, besteht die Möglichkeit, einander kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Für die Ägypterinnen und Ägypter wird dabei augenscheinlich, dass sich manche Reisende für mehr interessieren als nur für alte Steine und Swimming Pools in Hotels. Darüber hinaus ist auch für uns deutsche Touristinnen und Touristen der Kontakt mit der ägyptischen Bevölkerung in jeder Hinsicht bereichernd und im Sinne des interkulturellen und globalen Lernens ein wichtiger Beitrag zur Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung nachhaltiger Lebensführung und der Toleranz. Denn während der oder die „gewöhnliche“ Reisende häufig hauptsächlich mit nervenden Taxifahrern oder Souvenirhändlern konfrontiert ist und sich so Vorurteile im Hinblick auf ein muslimisches Land mitunter verfestigen können, zeigt uns der Kontakt mit den Menschen abseits der touristischen Hotspots regelmäßig, wie warmherzig, freundlich und gastfreundlich die Menschen in Ägypten sind. Wie sehr man sich über unsere bloße Anwesenheit freut, ist dabei für uns fast schon beschämend, zumal die Armut nur zu offensichtlich ist. Umso mehr reflektieren unsere Jugendlichen in Folge dieser Begegnungen ihre eigene Lebenswelt, sie achten und schätzen den Wert der Freiheit und der Grundrechte. Dass dies gerade in Zeiten rechts- und linkspopulistischer Ambitionen politischer Akteure und Akteurinnen in Europa und der Welt eine wesentliche Voraussetzung zum Erhalt der Demokratie darstellt, versteht sich beinahe von selbst und unterstreicht die enorme Bedeutung einer Studienfahrt nach Ägypten.